Zurück

30.09.2022

SGB II: Neugeborenes profitiert vom Aufenthaltstitel der Mutter

Bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) profitiert ein Neugeborenes vom Aufenthaltstitel seiner Mutter, kann insofern also leistungsberechtigt sein. Dies geht aus einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen hervor.

Die 2018 geborene Klägerin lebt mit Mutter und Schwester in einem Haushalt. Alle drei sind bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige. Sowohl die Mutter als auch die Schwester besitzen einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen gemäß § 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Das beklagte Jobcenter Köln lehnte die Gewährung von SGB-II-Leistungen für die ersten drei Lebensmonate der Klägerin ab. Das Sozialgericht Köln hat den Beklagten verurteilt, ihr auch für diesen Zeitraum Leistungen zu gewähren.

Dies hat LSG nun bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin bestehe schon ab Geburt. Zwar seien nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 SGB II Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt seien, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts von Leistungen nach § 7 Absatz 1 S. 1 SGB II ausgenommen. Die Mutter der Klägerin sei weder Arbeitnehmerin oder Selbstständige noch könne sie wegen ihrer bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit nach § 2 Absatz 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sein. Gleiches gelte für die Klägerin als Familienangehörige.

Allerdings greife hier eine Rückausnahme nach § 7 Absatz 1 S. 3 SGB II. Danach gelte § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 SGB II nicht für Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Die Mutter habe zum Zeitpunkt der Geburt über einen solchen Aufenthaltstitel verfügt, sodass sie gemäß § 7 Absatz 1 S. 3 SGB II nicht von dem Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 SGB II erfasst gewesen sei. Diese Rechtsfolge sei auf die Klägerin zu übertragen. Dies ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes, aber aus seiner Systematik, dem Zweck der Regelung sowie den Gesetzgebungsmaterialien.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.04.2022, L 12 AS 1323/19, rechtskräftig